Gedenktag der Opfer der Aktion T4, 18.1.2023
Gedenkfeier in der Kirche St. Josef
Heute vor 83 Jahren, am 18. Januar 1940, fand die erste Deportation der nationalsozialistischen Gasmordaktion T4 von der „Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar“ in die Tötungsanstalt Grafeneck statt. Nur zwei Monate später, am 20. März, folgte der erste Abtransport von 177 Schönbrunner Frauen und Männern nach Eglfing-Haar. Bis 1945 sollten es 546 Menschen sein, die entweder dort oder in der Tötungsanstalt Hartheim umgebracht wurden.
Mit der erstmaligen Gedenkfeier am 18. Januar folgen wir einer Initiative des Bezirks Oberbayerns und verschiedener Historiker:innen, besonders der Opfer dieser sog. „Aktion T4“ und damit auch dem Beginn der systematischen Massen-Vernichtung von Menschen zu erinnern.
Erinnert werden? Nein, es geht um aktives Erinnern – im besten Wortsinne: ver-inner-lichen. Oder um das lateinische Wort für „erinnern“ zu bemühen: recordare – wörtlich: „dem Herz zurück geben“. Erst wenn wir Erinnerung mit dem Herz verbinden, wird es uns möglich sein, die richtigen Schlüsse für die Zukunft, daraus Haltung und Handeln zu entwickeln. Natürlich erinnert uns ein Tag wie heute an das grausame Schicksal von 546 Menschen aus unserem Dorf. Doch gerade an solch einem Tag sollten wir uns darüber hinaus daran erinnern, wachsam zu sein, wo heute das System über dem Menschen steht: in unserer eigenen Organisation hier im Franziskuswerk, in unseren Kirchen, in unserer persönlichen Haltung.
Nils Minkmar, Journalist der Süddeutschen Zeitung, schreibt: „Die Erinnerung ist Warnung und Vorbereitung zugleich: Wie wird man sich an uns eines Tages erinnern? An Menschen, die in Wohlstand und Freiheit aufgewachsen sind, dies alles wissen konnten und dann doch, unentschlossen und vor lauter persönlicher Sinnsuche nach dem schönen, individuellen Glück empathielos geworden sind und den Aufstieg der Feinde der Freiheit hingenommen haben?“
Nutzen wir also den Ethos der Menschenwürde, der in unserem Stiftungsverbund so viele Menschen Tag für Tag antreibt, als „Gegengift“ gegen diese Entwicklungen. Nehmen wir die Dinge und Umstände, die Menschen mit Behinderung in ihrem Leben beschneiden, nicht einfach achselzuckend als unveränderbar hin. Bewahren wir Haltung, wenn es heißt „das darf doch noch gesagt werden…“
Und schließlich: nehmen wir aus unserem Christ-sein Verantwortung wahr: aus einem Verständnis, dass Christ-sein tätige Solidarität ist, und aus einer Frage, wo Gott uns sehen möchte. Auf den Ruf Gottes gibt es im Alten Testament immer wieder eine Antwort der Menschen: Hier bin ich.
Ja: Hier bin ich. Nimm mich in die Pflicht, Gott. Und stärke mich dabei.
(Aus der Ansprache von Markus Holl, Stiftungsvorstand der Viktoria-von-Butler-Stiftung und Geschäftsführer des Franziskuswerk Schönbrunn gGmbH)